Natur

Die Visionssuche als ein Ritual für Übergänge im Rad des Lebens
von Geseko von Lüpke
Die ersten Strahlen der aufgehenden Sonne tauchen das Tal in ein warmes, orangenes Licht. Der Steinkreis auf dem Boden ist umringt vom Kreis der Menschen, die sich an den Händen halten. Ein Mann löst sich von den Händen links und rechts und tritt in den inneren Kreis, überschreitet symbolisch die Grenze zwischen Alltag und der magischen Welt der Wildnis. Die Älteste tritt auf ihn zu, bläst in die Muschelschale, die sie in der linken Hand hält. Mit der langen schwarzen Feder in ihrer Rechten fächert sie den süßlichen Rauch des Salbeis in sein Gesicht, auf die Brust, seinen Rücken.

Es war ein Januar und ich hielt mich in dem kleinen Hinterhofgarten des Mietshauses, in dem ich damals wohnte, auf. Der Garten war entzückend. Ein kleines verwunschenes Kleinod mitten in der Stadt. Ein paar Büsche, ein paar Bäume, eine kleine Wiese, ein Holzgartentisch und eine Bank. Daneben ein kleines Trinkbecken für die Vögel und das Hinterhof-Idyll umrankt von einer kleinen Mauer mit einer Öffnung auf Hüfthöhe zu dem Nachbargarten.
„Mama! Schau mal. Die Frau geht barfuß!“ hörte ich einen Knirps laut rufen, während er mit seinen Schneestiefeln an der Öffnung vorbeistapfte.

Wie wir uns mit dem Herzschlag der Natur verbinden
Wir leben nicht auf der Erde und was uns umgibt, ist nicht unsere Umwelt, sondern wir sind ein Teil davon. Ja, wir haben uns in Häuser zurückgezogen und verbringen viel Zeit in geschlossenen Räumen, vor Bildschirmen jeglicher Couleur. Das gaukelt uns vor, wir wären drinnen und alles andere wäre draußen. Ganz oft kämpfen wir sogar gegen das, was unsere Heimat ist, unser Ursprung. Sobald Ameisen die Schwelle ins Haus übertreten oder Mücken durchs Fenster schweben, wird die chemische Keule ausgepackt. Unerwünschte Pflanzen werden verbrannt, vergiftet oder unter schwarzen Folien erstickt. Der tägliche Krieg gegen die Natur in unseren Gärten ist aber nur ein kleiner Teil des Feldzuges gegen die Natur, der auf den Ackerflächen tobt. Insekten werden im großen Maßstab getötet, Beikräuter vernichtet und Grundwasser vergiftet. Wie konnten wir uns so sehr von der Natur entfernen, dass wir es nicht einmal mehr merken, wie sehr wir uns damit ins eigene Fleisch schneiden?

Auf dem weichen Waldboden rascheln unsere nackten Füße durch Laub und Gras. Der Duft von sonnenwarmer Erde und frischem Grün steigt mir in die Nase. Eine Frau kichert, während sie versucht, die feuchten Stellen auf dem Weg zu umgehen. Überhaupt sehen meine 14 Teilnehmer ziemlich glücklich aus: Ich schaue in wache, strahlende Augen. Noch vor zwei Stunden wirkten sie ganz anders auf mich.

Die Menschen leben in Wohnungen, in Städten, fahren mit der Bahn oder dem Auto, arbeiten überwiegend in Büros und Fabriken. Da ist es kein Wunder, dass sie sich von der Natur entfremdet haben. Die Erde, das Wasser und sogar die Luft und die Sonne werden als Ressourcen betrachtet und dementsprechend genutzt. Wir kommen mit Gesetzen, also eigentlich Verboten, zum Schutze des Klimas, der Meere und der Umwelt allgemein nicht grundlegend weiter, meint Charles Eisenstein (Philosoph und Mitbegründer der Occupy-Bewegung).

Zum zweiten Mal innerhalb kurzer Zeit wurden Schafe gerissen. Die Spuren deuten unmissverständlich auf Wölfe hin. Das Land ist vorbereitet – es gibt einen „Wolfsmanagementplan“. Der beinhaltet außer Aufklärungskampagnen mit „Wolfsbotschaftern“ für die Bevölkerung, dass jetzt Zäune mit Übersprungschutz um die Schafherden auf Kosten des Landes natürlich gebaut werden. Außerdem erhält der Schäfer bis zu 1000€ pro getötetem Schaf. Da überlegt sich manch‘ einer vielleicht, ob er den Zaun an einer Stelle wenigstens offen lässt.